Details

Autor Riepe, Manfred
Verlag Turia + Kant
Auflage/ Erscheinungsjahr 02.04.2014
Format 24 × 16 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Englisch Broschur
Seiten/ Spieldauer 430 Seiten
Gewicht 789
ISBN 9783851327168

Zu diesem Buch

Freuds Fallgeschichten bestätigen Lacans Diktum, wonach Unbewusste sprachlich strukturiert ist. Das bedeutet, dass Traumarbeit, Witz und Symptom metaphorischer Natur sind. Welche Beschaffenheit muss Sprache jedoch haben, damit nicht nur psychoanalytisch beobachtete Phänomene, sondern jeder alltägliche Sprechakt durch die Metapher unterwandert wird? Ausblicke eröffnet die Zeichentheorie Ferdinand de Saussures - sofern man sie vom strukturalistischen Rezeptionsklischee befreit. Die Engführung Freuds mit Lacan und Saussure ebnet den Weg einer Linguistik der Mehrdeutigkeit. Die Poetik des Deutens ermöglicht eine sprachliche Konzeption von Geschlechtlichkeit unabhängig von der anatomisch vorgegebenen Differenz.

»Das Unbewußte ist strukturiert wie eine Sprache: Diese in Frankreich inzwischen zum Abiturwissen zählende Auffassung schuf einen Anreiz, Freuds Psychoanalyse (neu) zu entdecken. Dennoch blieb die linguistische Ergründung der wesentlichen Paradigmen Freuds bislang Stückwerk. Eine Lektüre seiner frühen Fallgeschichten verdeutlicht, daß dieses klinische Sprachkonzept nicht erst in der Traumdeutung, sondern schon in den Studien über Hysterie entwickelt wird, und zwar im Zusammenhang mit einer bestimmten Auffassung weiblicher Sexualität. Die Rekonstruktion dieses Sprachdenkens, das Freud in seinem Konzept der ›hysterischen Konversion‹ implizit anwendet (ohne es zu explizieren), führt unabhängig vom anatomischen Geschlechtsunterschied zu einer Auffassung von ›Weiblichkeit‹ und ›Männlichkeit‹ als stilistische Differenzen. Den Schlüssel zu diesem Sprachdenken, das Perversionen und Psychosen als Formen des Scheiterns der sexuellen Identität auffasst, liefert die hier anknüpfende Lektüre Ferdinand de Saussures – sofern man den Genfer Sprachwissenschaftler von gängigen Rezeptionsklischees befreit.

Wenn mit Lacan das Symptom – und damit auch die symbolische Kastration im Sinne der Kastration des Symbolischen – eine Metapher ist, dann findet sich bei Saussure die Antwort auf die Frage, wie Sprache überhaupt strukturiert sein muß, damit die Metapher nicht nur das Symptom, sondern jeden Sprechakt bestimmt. Weil Freudsche Versprecher und Fehlleistungen den Normalzustand ausmachen, kommt Sprache nur im Zuge jenes von Saussure beschriebenen fortwährenden Zerfalls zu sich ›selbst‹. mit Saussure wird also erst verständlich, warum Lacans sogenanntem ›großen Anderen‹ – eine Chiffre für das Zusammenspiel von Sprache, Sozialität und der Ordnung des Symbolischen – ein Mangel innewohnen muß. Es handelt sich dabei um ein strukturelles Defizit in der Sprachstruktur selbst, das bewirkt, daß die Polysemie der Eindeutigkeit logisch vorausgeht. So geht es in der vorliegenden Untersuchung um eine Herleitung der Doppeldeutigkeit aus der Struktur der Sprache selbst. Es gibt nicht zunächst Sprache, die man dann auch noch poetisch oder mehrdeutig anwenden könnte. Daher gibt es weder eine ›vorsprachliche‹ Psyche, noch eine sogenannte ›Metasprache‹ – und deshalb können auch die hier vorgelegten Betrachtungen zur Sprachlichkeit des Unbewußten im Prinzip nichts ›über‹ Sprache sagen. Anknüpfend an einen Ausdruck aus Freuds Witzbuch kann man nur von »einem Vorstellungskreis in einen anderen« springen. Die Linguistik des Kalauers ist daher weniger eine abstrakte Theorie als der Versuch, Sprache so zu thematisieren wie Freud in seinen novellenhaften Krankengeschichten das Unbewußte. Wo es war, soll Witz werden.« (aus dem Vorwort)

Über den Autor

Manfred Riepe, Jg. 1960, Studium der Germanistik und der Theater- Film- und Fernsehwissenschaft in Frankfurt/Main, arbeitet als freier Journalist, Autor und Filmkritiker, u.a. für 'epd Film'. Publikationen zur Problematik medialer Gewalt sowie zu psychoanalytischen Themen, u.a. in der 'Psyche, der Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis' sowie im 'Riss. Zeitschrift für Psychoanalyse. Freud-Lacan'. Lehraufträge an der Universität Basel. Monografien: 'Bildgeschwüre. Körper und Fremdkörper im Kino David Cronenbergs' (2002) und 'Intensivstation Sehnsucht. Blühende Geheimnisse im Kino Pedro Almodóvars' (2004).

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