Details

Autor Reimann, Bruno W.
Verlag WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Auflage/ Erscheinungsjahr 1991
Format 21,5 × 13,5 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 140 Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-009861_MA

Zu diesem Buch

Die vorliegende Arbeit zieht eine Bilanz der Diskussion um die sozialwissenschaftlichen Aspekte der Psychoanalyse. Ausgangspunkt ist der revolutionäre Geist der Arbeiten Freuds. In den zentralen kulturtheoretischen Fragen erreichten diese eine Radikalität, wie man sie im „institutioneilen“ Denken selten findet. Freuds Kulturtheorie näherte sich, trotz aller Widersprüche in den theoretischen Selbstbekundungen, u. a. auch der soziologischen Perspektive Dürkheims. Anders als dieser machte Freud jedoch „Gesellschaft“ nicht zu einer unangreifbaren moralischen Instanz. Schon zu Zeiten Freuds gab es Kontroversen um die Frage: Ist Gesellschaft ein gänzlich Psychisches oder auch ein Nicht-Psychisches? In wesentlichen Punkten konvergieren Freuds genuin soziologischen Argumente mit Einsichten der Marxschen Gesellschaftstheorie.

Marxorthodoxe Interpreten haben dies jedoch hartnäckig unterschlagen. Allerdings trennte Freud von Marx abgrundtief sein anthropologischer Pessimismus. So kam er zu einem „realistischen“ Bild von Gesellschaft, das keiner der streitenden Parteien so recht gefiel. Die Psychoanalyse-Debatten der 60er und 70er Jahre nahmen vorschnell manche Hürde der Theorie, überreizten ihre theoretischen Mittel, gerieten schnell an Grenzen. Daher erscheinen heute die meisten der glatten und fugenlosen Synthesen als theoretisch unergiebig. Ein zentrales Problem wird am Ende gestreift. Bruchlos hat sich die Psychoanalyse in die „Therapie-Gesellschaft“ eingefügt.

Diese erklärt sich als eine Art universelle Tröstungsinstanz in einer ebensowohl transzendental obdachlosen wie entfesselten Welt für alles und jedes zuständig. Die von Sartre besorgte Herausgabe von >Der Narr mit dem Tonband' zeigt, wie sehr der strukturelle Rahmen ausgeblendet bleibt, legt die gesellschaftliche Gewalt frei, die auch in Therapien wirksam ist - und steht sie bloß. Die Psychoanalyse hat mittlerweile ihren festgefügten Platz im Panoptikum der Therapien; gleichzeitig schwindet ihre Bedeutung als Therapie. Als Theorie allerdings ist sie vor allem in den Kulturwissenschaften eine bleibende Herausforderung und insofern von unverminderter Aktualität.

Aus dem Inhalt

Einleitung

  • 1. Psychoanalyse als Gesellschaftskritik bei Sigmund Freud
  • 2. Zum Begriff der Gesellschaft in der Freudschen Theorie
    a) Die Theorie der Masse
    b) Kelsens Kritik am Konzept der „organisierten Masse“
    c) Freuds Replik
  • 3. Das Verhältnis von gesellschaftlichen Elementen und psychoanalytischen Tatbeständen in der psychoanalytischen Theorie - nach Freud
    a) “Psychoanalyzing Society”
    b) „Soziologisierung der Psychoanalyse“
    c) Kelsens Psychologisierung gesellschaftlicher Elemente
  • 4. Die systembezogene Interpretation psychoanalytischer Tatbestände in der Anthropologie
  • 5. Psychoanalytische Soziologie bei Aurel Kolnai
  • 6. Die theoretische Integration von Soziologie und Psychoanalyse bei Talcott Parsons
  • 7. Die Freud-Debatte im Rahmen der Theorie-Diskussionen der Neuen Linken
    a) Zur Kritik der Psychoanalyse
    b) Die Neubegründung der Psychoanalyse im Rahmen der Marxschen Gesellschaftstheorie
    Exkurs 1: Marx und Engels - innere Natur als Fremdes, Fessel und Zwang, „Fixität“ der Begierden
    Exkurs 2: Freud - neue Entdeckungen, größere Beherrschung der Natur, Erhörung der Ansprüche des Einzelnen
  • 8. Die hermeneutische Interpretation der Psychoanalyse bei Kunz und Habermas
  • 9. Probleme der Therapiegesellschaft: Patient ohne Recht? Die Asymmetrie der analytischen Situation und die Rechte der Patienten
  • 10. Gesellschaft und innere Natur/Therapie und Politik .
    a) Natur, Gesellschaft, Interferenzen
    Exkurs: Antriebsüberschuß, Weltoffenheit, „Zuchtbedürftigkeit“ des Menschen
    b) Produktionsverhältnis, Herrschaft, Struktur .
    c) Zur Aporie der Gesellschaft
    d) Therapie und Politik

Anmerkungen / Literatur / Register

Über den Autor

Bruno W. Reimann, geboren 1943, Studium in Tübingen, Heidelberg, Hamburg, München, Promotion 1974, seit 1974 Professor für Soziologie an der Universität Gießen. Arbeiten zum Verhältnis von Gesellschaftstheorie und Psychoanalyse, zur Soziologie und Geschichte der Universitäten, zur lokalen Faschismusforschung und zu den sozialwissenschaftlichen Aspekten von AIDS.

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Im Modernen Fachantiquariat der SFB ist dieser Titel als ein verlagsfrisches Exemplar verfügbar; beim Verlag vergriffen.

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