Der Fluch des Propheten

Zu diesem Buch

Der Autor beschreibt Freud als einen Mann, der alle Vorbilder zurückweist, die sich ihm anbieten. – Den eigenen Vater, die angestammte Religion, die Grundsätze der modernen Medizin. Sein Menschenbild kehrt alle Werte um, die ihm überliefert sind, und Hessing macht die Psychoanalyse als ein Phänomen der Zeitenwende sichtbar. Sie entsteht in den Tagen der industriellen Revolution, im Schatten einer immer schneller werdenden Veränderung der Umwelt, einer immer größeren Entfremdung des Menschen von der eigenen Kultur. Freud selbst ist der Protagonist dieser Entwicklung.

Hessing zeichnet diese Entwicklung nach, die dieser auf seinem Lebensweg zu treffen hat, und ein besonderes Gewicht fällt dabei auf das ›metaphysische Dilemma‹, das Freud mit der Psychoanalyse zu lösen versucht. Als Jude an der Jahrhundertwende ist Freud den Bindungen des religiösen Kollektivs schon entwachsen, aber er empfindet seine Emanzipation zugleich als Verlust. Die ›Wahrheit‹ der Wissenschaften sind ihm kein vollwertiger Ersatz für die verlorengegangenen Normen, und die Psychoanalyse gestaltet sich zur Suche nach einem anderen heiligen Text. Dessen zentralen Kern findet er in der Ödipussage, und Hessing arbeit die Passagen heraus, in denen sich das daraus abgeleitete Gesetz entfalten wird. In der Sage des Vatermörders kehrt sich die jüdische Verheißung um, die einst Jahwe an den Stammvater Abraham ergehen ließ. Während das europäische Judentum seiner schwersten Stunde entgegengeht, nimmt Freud die endgültige Umkehrung vor, verwandelt er den Gottessegen über seinem Volk in den Fluch des Vaters, der ohne Nachkommen bleiben muß.

Aus dem Inhalt

• Lücken. Eine Einleitung

Am Kreuzweg

1. Der Höhlenfuhrer
2. Ein Dilemma
3. Katharsis und Abwehr
4. Sexualität
5. Vom Gottesverlust

Zeichen aus dem Grenzenlosen

1. Das Gesetz
2. Naturgeschichte eines heiligen Textes .
3. Todestrieb

Moses und Ödipus

1. Die Erbschuld
2. Spätkultur
3. In Rom und Griechenland
4. Wiederkehr des Verdrängten.

Der Autor

Jakob Hessing, geboren 1944, lehrte Deutsche Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem und publiziert regelmäßig in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und im Merkur. Von 1993 bis 1999 gab er den Jüdischen Almanach heraus.In Drei Abhandlungen zu Sigmund Freud beschäftigt er sich mit Sigmund Freud und seinem im Wien des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gelebten Judentum. Dieses Buch ist ein bedeutender Beitrag zur Kulturgeschichte des mitteleuropäischen, deutschsprachigen Judentums, das heute nicht mehr existiert.