Details

Autor Lasch, Christopher
Verlag Steinhausen, München
Auflage/ Erscheinungsjahr Neuausgabe, 1985
Format 8° Oktav
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Paperback
Seiten/ Spieldauer 367 Seiten
Gewicht 590 g
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-007937_AQ

Diese Untersuchung von Lasch - eine der klarsten, profundest recherchierten und erhellendsten sozialpsychologischen Arbeiten zu den Gründen und Folgen des krebsgeschwürartig sich immer weiter ausbreitenden Narzissmus in der westlich globalisierten Welt. Während dank neuerer Drucktechniken heutzutage kaum ein wissenschftliches oder literarisches Werk ohne einen Nachsdruck bleibt, auch wenn es inhaltlich womöglich eher aus der zweiten oder dritten Reihe kommt, blieb diesem Buch im deutschsprachigen Raum eine Neuausgabe /Neuauflage bisher versagt. Dies hat ferner zur Folge, daß antiquarische Ausgaben selten, begehrt und relativ teuer sind - und viele, die dieses Buch von Berufs wegen kennen und rezipieren sollten, es eben nicht kennen ....

Aus der Einleitung des Autors

"(...) Daß der Narzißt kein Interesse an der Zukunft hat, liegt zum Teil daran, daß er so wenig Interesse an der Vergangenheit hat. Es bereitet ihm Schwierigkeiten, glückliche Assoziationen zu verinnerlichen oder sich einen Grundstock von liebevollen Erinnerungen aufzubauen, mit dem er für seine zweite Lebenshälfte gewappnet ist, die für ihn auch im besten Falle stets Trauer und Schmerz bereithält. In einer narzißtischen Gesellschaft - einer Gesellschaft, die narzißtische Charakterzüge fördert und ihnen zunehmend Bedeutung gibt - spiegelt die kulturelle Entwertung der Vergangenheit nicht nur die Dürftigkeit der herrschenden Ideologien, denen die Wirklichkeit entglitten ist und die es aufgegeben haben, sie zu meistern, sondern auch die innere Armut des Narzißten.

Eine Gesellschaft, die »Nostalgie« als marktgängiges Konsumgut an der kulturellen Börse handelt, kann sich bald nicht mehr vorstellen, daß das Leben in der Vergangenheit in bedeutsamer Weise besser gewesen sein könnte als heute. Nachdem die Menschen die Vergangenheit insofern trivialisiert haben, als sie sie mit veralteten Konsumgewohnheiten, abgelegten Moden und Verhaltensweisen gleichsetzen, nehmen sie an jedem Anstoß, der ernsthaft auf die Vergangenheit Bezug nimmt oder in ihr Maßstäbe zur Beurteilung der Gegenwart zu finden sucht. (...)

Die Vielschichtigkeit unseres Verhältnisses zur Vergangenheit unter dem Motto »Nostalgie« diskutieren, heißt Schlagworte an die Stelle objektiver Gesellschaftskritik setzen, als welche sich diese Einstellung aber gern ausgibt. Das modischschicke Hohnlachen, das heute nahezu automatisch jedem liebevollen Umgang mit der Vergangenheit entgegenschlägt, versucht, die Vorurteile einer pseudoprogressiven Gesellschaft zugunsten des Status quo auszubeuten. Wir wissen jedoch - dank der Arbeiten von Christopher Hill, E. P. Thompson und anderer Historiker -, daß viele revolutionäre Bewegungen der Vergangenheit ihre Kraft und Ausdauer aus dem Mythos oder der Erinnerung an ein Goldenes Zeitalter in der noch weiter entlegenen Vergangenheit geschöpft haben. Dieser historische Befund bekräftigt die psychoanalytische Erkenntnis, daß liebevolle Erinnerungen für die menschliche Reife ein unerläßliches psychologisches Kraftfeld bilden und daß, wer sich nicht auf solche positiven Erinnerungen aus der Vergangenheit berufen kann, in der Folge an schwersten Störungen leidet. Die Überzeugung, daß die Vergangenheit eine in mancher Hinsicht glücklichere Zeit gewesen sei, beruht keineswegs auf einer sentimentalen Illusion, noch führt sie zu einer rückwärtsgewandten, reaktionären Lähmung des politischen Willens.

Mein eigenes Verständnis der Vergangenheit ist das genaue Gegenteil der Auffassung von David Donald. Weit entfernt, sie als nutzlose Hypothek aufzufassen, sehe ich die Vergangenheit als politische und psychologische Schatzkammer, aus der wir die Reserven beziehen (wenn auch nicht immer in Form von »Lehren«), die wir brauchen, um uns der Zukunft gewachsen zu zeigen. Die Gleichgültigkeit unserer heutigen Kultur gegenüber der Vergangenheit - die nur allzu leicht in aktive Feindseligkeit oder Ablehnung umschlägt - liefert den schlagendsten Beweis für den Bankrott dieser Kultur.

Die vorherrschende Einstellung, die sich an der Oberfläche so aufgeschlossen und vorausschauend gibt, rührt von einer narzißtischen Verarmung der Psyche und aus der Unfähigkeit, unsere Bedürfnisse in dem Erlebnis von Befriedigung und Zufriedenheit zu verankern. Anstatt uns auf unsere eigenen Erfahrungen zu verlassen, überlassen wir es den Fachleuten und Experten, unsere Bedürfnisse für uns zu formulieren und sind dann erstaunt, daß diese Bedürfnisse offenbar nie zufriedengestellt werden können. »Da die Menschen gefügige Schüler sind, die sich ihre Bedürfnisse vorformulieren zu lassen lernen«, schreibt Iwan Illich, »wird die Fähigkeit, Wünsche aus selbsterfahrener Befriedigung zu bilden, zu einer seltenen Gabe, die sich nur bei sehr Reichen oder ernstüch Unterprivilegierten findet.« Aus allen diesen Gründen ist die Abwertung der Vergangenheit zu einem besonders bedeutsamen Symptom der Kulturkrise geworden, mit der sich das vorliegende Buch befaßt, das selbst häufig auf die Vergangenheit Bezug nimmt, um zu erläutern, was an unseren gegenwärtigen Verfahrensweisen falsch ist. Ein Leugnen der Vergangenheit, das sich oberflächlich progressiv und optimistisch gibt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Ausdruck der Verzweiflung einer Gesellschaft, die der Zukunft nicht ins Auge zu sehen vermag."

Inhalt

Vorwort / Danksagung

I Das neue Bewußtsein und der gesellschaftliche Eingriff ins Ich: Der Verfall des historischen Zeitgefühls - Die Verdrängung des religiösen durchtherapeutisches Denken - Der Abschied von der Politik - Fragwürdige Formen von Bekenntnis und Selbstenthüllung - Die innere Leere  - Die Kritik der Progressiven an derVorherrschaft des Privaten  - Privates und öffentliches Leben: Eine historische Gegenüberstellung.

II Die narzißtische Persönlichkeit unserer Zeit Narzißmus als Metapher der »condition humaine«: Psychologie und Soziologie - Der Narzißmus in der neueren klinischen Literatur - Gesellschaftliche Einflüsse - Die Weltsicht des Resignierten.

III Veränderte Erfolgsmethoden: Vom Arbeiterpräsidenten zur glücklichen Dirne: Der ursprüngliche Sinn der Arbeitsethik - Von der Selbst-»Bildung« zur Selbst-»Begünstigung«durch »Erfolgsimages« - Der Verfall der Leistung - Die Kunst des sozialen Überlebens - Die Apotheose des Individualismus.

IV Die Banalität des Pseudo-Selbstbewußtseins: Politisches Theater und Alltagsleben: Die Gebrauchsgüterwerbung - Wahrheit und Glaubwürdigkeit - Werbung und Propaganda - Politik als Schau-Spiel - Radikalismus als Straßentheater - Heldenverehrung und narzißtische Idealisierung - Der Narzißmus und das Theater des Absurden - Das Theater des Alltagslebens - Ironische Distanzierung als Flucht vor der Routine - Ausweglosigkeit.

V Die Abwertung des Sports: Geist des Spiels oder Sucht nach nationalem Aufstieg - Huizinga und der Homo ludens - Die Kritik des Sports - Die Trivialisierung des sportlichen Wettstreits - Imperialismus und der Kult des rastlosen Lebens - Betriebsloyalität und Wettbewerb - Bürokratie und »Teamarbeit« - Sport und Unterhaltungsindustrie - Müßiggang als Flucht.

VI Das Bildungswesen und das neue Analphabetentum: Die wachsende Verdummung - Der Kompetenzschwund - Historische Hintergründe des modernen Schulsystems - Von der industriellen Disziplin zur Selektionmenschlicher Arbeitskraft - Von der Amerikanisierung zum »lebensorientierten Lernen« - Grundausbildung und Landesverteidigung - Die Bürgerrechtsbewegung und die Schulen -  Kultureller Pluralismus und neuer Paternalismus - Der Aufstieg der »Multiversität« - Die »elitäre« Kultur und ihre Kritiker - Bildung als Ware.

VII Die Sozialisierung des Nachwuchses und der Zusammenbruch der Autorität: Die »Sozialisierung des Arbeiters« -  Das Jugendgericht - Elternerziehung - Permissivität im Rückblick - Der Kult der Authentizität - Psychologische Auswirkungender »Funktionsübertragung« - Narzißmus, Schizophrenie und Familie -  Narzißmus und der »abwesende Vater« -  Die Abdankung der Autorität und die Wandlung des Über-Ichs - Die Beziehung der Familie zu anderen Zentren der gesellschaftlichen Kontrolle - Menschliche Beziehungen im Beruf: Der Betrieb als Familie.

VIII Die Abkehr vom Gefühl: Die Soziopsychologie des Geschlechterkampfes: Die Trivialisierung der persönlichen Beziehungen - Der Kampf der Geschlechter: Seine Sozialgeschichte - Die sexuelle »Revolution« - Zusammengehörigkeit - Der Feminismus und die Intensivierung des Geschlechterkrieges - Strategien der Anpassung - Die kastrierende Frau in der Phantasie des Manne - Die Seele von Mann und Frau im Sozialismus.

IX Der erschütterte Glaube an die Regeneration des Lebens: Die Angst vor dem Alter - Narzißmus und Alter - Die Theorie vom Altern als sozialem Prozeß:»Wachstum« als vorausbestimmtes Veralten - Lebensverlängerung: Theorien über die Altersbiologie.

X Der Paternalismus ohne Väter: Die neuen und die alten Reichen: Die Elite der Manager und Experten als herrschende Klasse -  Fortschrittlichkeit (Progressismus) und der Aufstieg des neuen Paternalismus - Die liberale Kritik am Wohlfahrtsstaat - Bürokratische Abhängigkeit und Narzißmus - Die konservative Kritik an der Bürokratie // Anmerkungen.

Der Autor

Christopher Lasch (* 1. Juni 1932 in Omaha, Nebraska; † 14. Februar 1994 in Pittsford, New York) war ein bekannter amerikanischer Historiker und Sozialkritiker.

Leben und Wirken: Lasch studierte an der Harvard University und der Columbia University. Er war 1957 bis 1967 Mitglied der Historischen Fakultät am Williams College, 1960 bis 1961 an der Roosevelt University in Chicago, 1961 bis 1966 an der University of Iowa und 1966 bis 1970 an der Northwestern University. 1970 bis 1994 Professor für Geschichte an der University of Rochester. In dieser Zeit hatte er 1979 bis 1994 die Don Alonzo-Professur für Geschichte inne, und er war Fakultätsvorsteher von 1985 bis 1994; 1981 war er Freud Lecturer am University College London.

Bekannt wurde er einem deutschsprachigen Publikum insbesondere mit seinem Buch über Narzissmus in der heutigen Gesellschaft (The culture of narcissism, 1979). (Quelle: Wikipedia)

Zum Erhaltungszustand

Im Fachantiquariat der SFB der gesuchte Grundlagentitel in einer gut bis sehr guten Ausgabe der Paperbackvariante aus dem Jahr 1985; innen frisch und ohne Anmerkungen oder Anstreichungen.- Selten!

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