Details

Herausgeber Giernalczyk, Thomas; Lohmer, Mathias (Hg.)
Verlag Schäffer-Poeschel
Auflage/ Erscheinungsjahr 01.10.2012
Format 1,8 × 16,3 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Hardcover
Seiten/ Spieldauer 327 Seiten
ISBN 9783791032139

Zu diesem Buch

Blockaden und Verkrustungen in Institutionen, Firmen und Organisationen erkennen und aufbrechen, Kreativität freisetzen:

Um an das eine wie an das andere Ziel zu gelangen, werden eindimensional gesetzte Veränderungsbestrebungen, Organisationsreformen oder Umstrukturierungen erfahrungsgemäß nicht hinreichen, bleiben diese doch nicht selten oberflächenverhaftet und also symptomatisch.

Erforderlich wären indes Ahnung und Erkenntnis von den grundhaften unbewussten und energetischen Prozesse in Organisationen, ohne deren Kenntnis kein wirkliches Problembewußtsein und mithin keine durchgreifenden Veränderungen möglich sind. - Hier vermag meist allein die Expertise von außen die gewünschte und ungeschönte Situationsanalyse zu ermöglichen, deren tiefengeschärfter Blick wirkliche Löungen grundieren und ermöglichen kann: Probleme in kleinen Familienbetrieben und die in zahlreichen Großkonzernen, in denen meist durchaus erfolgreiche Tüftler und Verkaufsstrategen am Werke sind, denen aber üblicherweise jeder Sachverstand über Dynamiken und Führungsprozesse - zum Schaden für Ruf und Erfolg dieser Unternehmung - abgeht.

Aus der Einleitung des Herausgebers

Matthias Lohmer: Der Einzelne, das Unbewußte und die Organisation

"(...) Nehmen wir ein alltägliches Beispiel: Herr K., ein erfahrener Topmanager Anfang 50, Leiter eines wichtigen Bereichs, genießt im Unternehmen hohe fachliche Anerkennung, trägt entscheidend zur positiven Bilanz des Unternehmens bei und hat durch seine Ideen und Offenheit für Neues wichtige Impulse für die Entwicklung des Unternehmens gegeben. Seiner Führungskraft fällt allerdings ein merkwürdiger Sachverhalt auf: Die Abteilung von Herrn K. bringt keine qualifizierten Nachwuchsmanager hervor, die in der Lage wären, wichtige Aufgaben eigenständig zu übernehmen und eines Tages Herrn K. auch abzulösen.

Sobald ein solcher Mitarbeiter eigenes Profil zu gewinnen beginnt, kommt es zu massiven Konflikten, die zum Ausscheiden des Mitarbeiters führen. Herr K. selbst ist höchst enttäuscht über diese Mitarbeiter, die die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, und sieht sich immer wieder veranlaßt, „das Ruder selbst in die Hand zu nehmen“ und Aufgaben, die er bereits delegiert hatte, erneut selber zu übernehmen.

Eine organisationspsychologische Analyse, die nur mangelnde Führungskompetenzen wie Delegations- und Kooperationsfähigkeit thematisiert, würde allerdings zu kurz greifen. Denn es kommt augenscheinlich eine unbewußte Problematik zum Tragen, die wir Laioskomplex nennen (vgl. Dittrich und Lohmer 2000; Kets de Vries, 1996a).

Laios ist in der griechischen Mythologie der leibliche Vater von Ödipus, dem das Orakel voraussagt, daß er von seinem eigenen Sohn ermordet werden wird und der deshalb seinen neugeborenen Sohn Ödipus im Gebirge aussetzt. Bei Herrn K. besteht die Laiosproblematik in der Schwierigkeit, den Nachwuchs fördern zu können, von der eigenen Macht etwas abzugeben, sich entbehrlich zu machen und es zu ertragen, daß der Nachwuchs mit der Zeit kräftiger, potenter, ideenreicher, lebensvoller und er selber dadurch mit
seiner Endlichkeit und letztlich dem Tod konfrontiert wird. Bleibt dieser Konflikt, den jeder Mensch durch die Konfrontation mit der nachfolgenden Generation zu bewältigen hat, unbewußt, kann es zu destruktiven Folgen kommen – in unserem Beispiel führt der unbewußte Charakter des Konflikts dazu, daß er nicht bearbeitet werden kann und sich statt dessen immer neue, hoffnungsvolle Nachwuchskräfte im Schatten von Herrn K. verschleißen.

Was aber heißt, der Konflikt bleibt unbewußt? Herr K. verspürt nach anfänglicher Sympathie für seine „Kronprinzen“, ja auch Stolz über deren Leistungen, von einem gewissen Zeitpunkt an ein diffuses Mißbehagen. Er reagiert zunehmend gereizter auf eigenständige, mit ihm nicht abgesprochene Aktivitäten seiner „Söhne“ oder „Töchter“, fühlt sich übergangen, nicht ausreichend respektiert und sieht sich veranlaßt,
seine Führungskompetenz immer häufiger zu demonstrieren. Es kann zu kränkenden Szenen in Gesprächen kommen, in denen Herr K. seine jungen Mitarbeiter öffentlich zurechtweist.

Bewußt registriert Herr K. nur aufkeimenden Ärger und Unzufriedenheit über den Mitarbeiter. Unbewußt
bleibt für ihn seine Übertragung eigener unbewältigter, zumeist kindlicher Konflikt- und Rollenmuster auf seine Mitmenschen. Damit erkennt er auch nicht die Bedrohung, welche die Eigenständigkeit des Mitarbeiters für sein eigenes Selbstwertgefühl ausmacht, den Neid auf dessen Jugend und seinen Ideenreichtum und das Ausmaß an zerstörerischer Aggression, das er gegen ihn hegt. Unbewußt
bleibt auch der innere Konflikt zwischen dem aggressiven Impuls, den jungen Mitarbeiter herauszudrängen, und der Befürchtung, vor seinem eigenen Selbstbild und Gewissen – dem Überich – mit solchen Gefühlen schlecht bestehen zu können. Die eigene Bedrohtheit und der eigene destruktive Impuls werden nicht deutlich genug wahrgenommen, sondern durch psychische Schutzmaßnahmen, sog. Abwehrmechanismen,
verformt und getarnt. Herr K. rationalisiert seinen Ärger: Er erlebt ihn als gerechtfertigt angesichts des „eigenwilligen und aufmüpfigen Verhaltens“ des jungen Kollegen. Er kann so mit der moralischen Berechtigung der sachlich begründeten Kritik argumentieren. Gleichzeitig kann er seinen Ärger ausleben
und den Kollegen abstrafen. Er täuscht sich also selber über die Quelle seiner Beunruhigung, die er fälsch-
lich im „Außen“ situiert. Der psychische Gewinn ist klar: Herrn K. bleibt eine schmerzhafte Auseinandersetzung über sein eigenes Älterwerden, über eigene, vielleicht abgelehnte Gefühle wie Feindseligkeit und Neid erspart. Er kann innerlich ruhiger weiterleben. Aber auch der psychische Verlust
ist deutlich: Herr K. hat einen „blinden Fleck“ in der Selbstwahrnehmung. Er muß einen eigenen wichtigen Anteil verleugnen, der ja auch einer lebensphasengerechten Auseinandersetzung entspräche. Er „verarmt“ um diesen inneren Anteil, wird gewissermaßen persönlich „flacher“ und eindimensionaler. Sein emotionales Leben ist beschnitten, und er entwickelt psychosomatische Beschwerden, da wichtige Gefühle und Wahrnehmungen nicht verarbeitet werden.

Aber auch auf der zwischenmenschlichen Ebene gibt es Verluste: Bei seinem Konflikt mit immer neuen Mitarbeitern besteht ein Wiederholungszwang . Dieser behindert die Entwicklung des notwendigen Nachwuchses und schadet auf diese Weise den Mitarbeitern und dem Unternehmen. Es ist dies eine Krise, die viele Führungskräfte meistern müssen, die als „Gewinner“ von ihrer Macht wieder Abschied nehmen und
diesen Einbruch im Selbstgefühl bewältigen müssen. Gerade Manager, die ihr Selbstgefühl fast ausschließlich aus dem beruflichen Bereich beziehen, sind für diese Krisen besonders empfänglich. Auch die spannungsreiche Frage der Regelung der Nachfolgin Familienunternehmen ist häufig von dieser Dynamik geprägt (...)!

Aus dem Inhalt

Grundlagen der psychodynamischen Organisationsberatung

  1. Mathias Lohmer: Das Unbewußte im Unternehmen: Konzepte und Praxis psychodynamischer Organisationsberatung
  2. Ross A. Lazar: Psychoanalyse, „Group-Relations“ und Organisation: Konfliktbearbeitung nach dem Tavistock-Arbeitskonferenz-Modell
  3. Anton Obholzer: Führung, Organisationsmanagement und das Unbewußte
  4. Larry Hirschhorn: Das primäre Risiko
  5. Werner Forster: Emotionaler Aufruhr und soziale Verarbeitung: Über den Nutzen psychoanalytischer Konzepte in der Beratung für Unternehmensentwicklung.

Die Psychodynamik von Veränderungsprozessen

  1. Erik van de Loo: Organisationsform und psychische Realität
  2. Manfred Kets de Vries und Katharina Balazs: Die Psychodynamik des Organisationswandels
  3. Bernhard Janta: Was verändert die Veränderung: Ein Navigationssystem für Transformationsprozesse
  4. Hüseyin Özdemir: Wie die Brautschau zum Schlachtfeld wurde: Der Prozeß einer Partnersuche in einem Industriekonzern
  5. Mathias Lohmer und Corinna Wernz: Zwischen Veränderungsdruck und Homöostaseneigung: Die narzißtische Balance in therapeutischen Institutionen

Ein Dialog zwischen systemischer und psychodynamischer Organisationsberatung

  1. Patricia von Papstein: Der Wahnsinn zeigt sich im Detail: Große Konzerne und ihre Entscheidungsstrukturen
  2. Lehman und Erik van de Loo: Fortbildung, wissenschaftlicher Austausch  und Netzwerke in psychodynamischer Organisationsberatung

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