Details

Autor Ehrenberg, Alain
Verlag Suhrkamp
Auflage/ Erscheinungsjahr 2011, dt. EA
Format 13,4 × 3,8 × 20,6 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung gebunden
Seiten/ Spieldauer 531 Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) SFB-002640_AC

"Nichts ist fürchterlicher, als alle Tage von morgens bis abends etwas tun zu müssen, was einem widerstrebt. Und je menschlicher der Arbeiter fühlt, desto mehr muss ihm seine Arbeit verhasst sein, weil er den Zwang, die Zwecklosigkeit für sich selbst fühlt, die in ihr liegen." Karl Marx, Die Lage der arbeitenden Klasse in England. MEW 2, S. 346, 1845

Zu diesem Buch

Einhergehend mit der meistenteils nur an den Oberflächen von Ökonomie und Medien behaupteten Liberalisierung des öffentlichen Lebens und begleitet von Privatisierungs- und Globalisierungsschüben wurden in den westlichen Gesellschaften traditionelle Rollenvorgaben und bewährte Traditionen nicht selten fahren gelassen; der einzelne soll`s nun autonom für sich richten: Dieser ist - getreu calvinistischer Überzeugung - für sein Glück, sein Weh & Ach zuvörderst zuständig.

Das mediale Dauerdonnerwetter, mit dem den unverhofft in den Rang von Autonomie und Selbststand Beförderten unentwegt suggeriert wird, daß ihnen nunmehr bei entsprechendem (Wohl-)Verhalten alles möglich und machbar sei, befeuert das nun mehr für sich selbst sorgen sollende Indivduum und treibt es vor sich her, seinem Glück und der ihm verheißenen Wohlfahrt entgegen.

Das Gros der Menschen bleibt mit seinen tatsächlichen Möglichkeiten im täglichen Ellenbogenkampf hingegen weit hinter den Sollvorgaben dieser Heilsversprechen zurück, es findet sich vielmehr als gehetztes, frustriertes, deprimiertes Wesen im Hamsterrad, für das kein Stillstehen und kein Ausstieg in Sicht zu sein scheint - abgesehen vom Aus-Weg, den Krankheit und Selbstaufgabe anbieten, welche den Selbst- und Autonomieverlust aber nur noch weiter verstärken: Das „Erschöpften Selbst“ sitzt in der Falle ....

In seiner aktuellen Studie verfolgt Ehrenberg diese Entwicklung und ihre diskursive Verarbeitung unter anderem anhand zweier großangelegter Fallstudien in Frankreich und den USA. Autonomie ist auf je spezifische Weise zum höchsten Wert dieser Gesellschaften geworden; zugleich kommt es in diesen Kollektiven mit dem Scheitern am Ideal des selbstbestimmten Lebens zunehmend zu psychischen Pathologien. Diese individuellen Pathologien sind für Ehrenberg immer letztlich soziale Pathologien: Die Zeichen an der Wand, die den Zerfall einer maroden, zunehmend maligner werdenden Gesellschaft denen vor Augen führen, die sehen können.

Aus dem Inhalt

Die personale Wende des Individualismus: Unbehagen in der Kultur oder Wandel des Geistes der Institutionen?

  • Autonomie und Subjektivität: individualistische Soziologie und Soziologie des Individualismus
  • Untersuchungsgebiet: die Pathologien des Ideals
  • Vorgehensweise: die amerikanische und die französische Art der Verknüpfung von individuellen Beschwerden und gestörten sozialen Beziehungen
  • Themen, die Haß und Zorn hervorrufen: Wahrheits- und Kriterienprobleme

Der amerikanische Geist der Persönlichkeit

  1. Das beunruhigte Selbstvertrauen: vom moralischen Individualismus zum amerikanischen Charakter
    - Puritanismus, Liberalismus, Romantik:Die dreifache Grundlegung des amerikanischen Seif
    - Die erste Krise des amerikanischen Individualismus: Persönlichkeit, Psychologie, Psychotherapie
  2. Das psychodynamische Ich der amerikanischen Psychoanalyse
    - Rückkehr nach Europa: Ist das Neurosenmodell hinreichend angemessen?
    - Die Ich-Psychologie oder die Rückkehr zu Freud in der amerikanischen Psychoanalyse
  3. Von Odipus zu Narziß: Die Krise der self-reliance
    - Die amerikanische Jeremiade oder die neuen Kleider der puritanischen Askese
    - Die amerikanische Form der individualistischen Beunruhigung

Der französische Geist der Institution

  1. Das Subjekt der französischen Psychoanalyse
    - Die exemplarischen Komplexe Lacans: Kollektivpsychologie oder Soziologie?
    - Die Pole der psychoanalytischen Debatte in Frankreich
    - Die französische Psychoanalyse als Metawissen: Beruf Massenkultur, Politik
  2. Von der Autonomie als Bestrebung zur Autonomie als Zustand
    - Vom politischen Individualismus zur individualistischen Gesellschaft (1789-1980)
    - Die Wendung zur Subjektivität oder das Bündnis zwischen Therapeut und Unternehmer
  3. Das Übel der Horizontalität oder die neuen Kleider des republikanischen Gedanken
    - Eine Welt ohne Grenzen
    - Die Krise des Symbolischen und der Niedergang der Institution:
    Verliert die Gesellschaft ihre Autorität?
  4. Die Arbeit das Leiden, die Anerkennung
    - Die leidenschaftliche Anprangerung: das Gerechte und das Ungerechte
    - Der Stoff des Handelns: die Lebensqualität, der Streß und das
    psychosoziale Risiko
  5. Die Prekarisierung der Existenz: die neuen Konstellationen der Ungleichheit zwischen geistiger und politischer Gesundheit
    - Die psychosoziale Klinik: die Wiederherstellung der Macht des
    Handelns angesichts des neoliberalen Unglücks
    - Die amerikanische Krise der französischen Gesellschaftstheorie

Wahlverwandtschaften oder die individualistische Haltung gegenüber ihren Gegnern

  • Amerikanischer Liberalismus und französischer Antiliberalismus
  • Um den Individualismus richtig zu verstehen, muß zuvor die Hierarchie bedacht werden
  • Die seelische Gesundheit, eine individualistische Behandlung des Leidens

Pressestimmen

»Schon in seiner Studie Das erschöpfte Selbst hat Alain Ehrenberg die Überforderung des Einzelnen durch zunehmende Freiheit analysiert. Sein neues Buch erweitert diese These zum Gesamtbild eines gesellschaftlichen Strukturzerfalls.«

Stefana Sabin, in: NZZ Neuer Zürcher Zeitung

»Zu den Glanzstücken des Buches gehört es, wie Ehrenberg in der amerikanischen Geistesgeschichte die Psychologie als demokratische Methode erfasst, die sich mit der puritanischen Auffassung verbindet, jeder einzelne Mensch sei eine Kirche für sich.«

Elisabeth von Thadden, in: DIE ZEIT vom 19.05.2011

Der Autor

Alain Ehrenberg, geboren 1950, ist Soziologe und emeritierter Forschungsdirektor am CNRS (Cermes3) in Paris. 2001 gründete er das Forschungszentrum für Pharmaka, psychische Gesundheit, Gesellschaft (CNRS-Inserm-Universität Paris-Descartes).

Lieferbarkeitshinweis

Bei der SFB als ein annähernd verlagsfrisches Archivexemplar der deutschen Erstausgabe; beim Verlag in dieser Ausgabe vergriffen. - Inzwischen auch als stw-TB verfügbar.

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