Details

Autor Krokowski, Robert
Verlag Parodos Verlag
Auflage/ Erscheinungsjahr 04.2010
Format 19,5 × 10 cm
Einbandart/ Medium/ Ausstattung Broschiert
Seiten/ Spieldauer 84 Seiten
SFB Artikelnummer (SFB_ID) 9783938880340

Zu diesem Büchlein

Robert Krokowski spürt in seinem Essay jener besonderen Schrift auf unserem Körper nach, die wir alle kennen, für deren Bezeichnung wir aber erstaunlicherweise nur eine Metapher verwenden. Aber kann eine 'Gänsehaut' lesen, wer sie als eine Art flüchtiger Braille wahrnimmt, als eine Blindenschrift, die nicht nur für Schrecken oder Wohlgefühl steht? Was teilt sich uns in den Spuren auf unserer Haut mit, wenn sie der eisige Schauer des Entsetzens streift – oder der wohlige Hauch der Zärtlichkeit? Ein Essay auch über die Grenzen des Unterscheidungsvermögens – und Beobachtungen, die ermöglichen sie zu überschreiten.

Aus der Einleitung des Autors

"Falten im Gesicht, Nackenhaare, die sich sträuben, Gänsehaut auf dem Rücken, braune Flecken, rote Linien, schwarze Punkte: Zeignisse unseres Körpers. Wir nehmen sie wahr, halten uns für sehend, erkennen ihre Bedeutung, begreifen sie als Zeugnisse. Aber manchmal spüren wir auch, dass wir blind bleiben für den Sinn einer Schrift, deren Botschaft, könnten wir sie lesen, uns erröten machen würde. Oder erblassen. Aber kann eine »Gänsehaut« lesen, wer sie als eine Art flüchtiger Braille wahrnimmt, als eine Blindenschrift, die nicht nur für Kälte, Schrecken oder Wohlgefühl steht? Was teilt sich uns in den Spuren auf unserer Haut mit, wenn sie der eisige Schauer des Entsetzens streift – oder der wohlige Hauch der Zärtlichkeit?

Ein Essay über das Erröten der Schrift ist ein gewagter Versuch. Zeugen doch, so nimmt man allgemein jedenfalls an, Texte auch von Erfahrungen, die ihre Verfasser selbst gemacht haben. Insofern ist ein Text, der sich der ästhetischen und begrifflichen Erkundung von Körperzuständen widmet, riskant: Handelt er doch auch von taktilen Reisen in jene erogenen Zonen, die sich in Handbüchern für Berufstätige nur selten beschrieben finden. Auf den Karten wissenschaftlicher Erkenntnis sind sie oft nur als Untiefen der sinnlichen Wahrnehmung verzeichnet. Und die Geschichte ihrer Erforschung, die für manche mit der Entdeckung der Psychoanalyse beginnt, wird noch manche Doktorarbeit scheitern lassen. Denn was sich im Hin und Her in den Lust- und Unlustsenken des Körpers abspielt, wenn es sich in das rhythmische Pulsieren sprudelnder und schäumender Triebquellen verwandelt, ist eher keine akademische Frage. Und was geschieht, wenn der Finger einer Mutter beim Schreiben auf ihrem Baby eine erogene Zone eröffnet und diese sich in einem wollüstigen Liebesroman oder in einem alle quälenden Schmerzensdrama oder in einer Mischung aus beidem mit all den anderen Fürsorglichkeiten verbindet, die ihrem Kind ein Leben lang unter die Haut gehen werden, wird wohl noch lange der geheime Beweggrund für manche belletristische Selbsterkundung sein. Wer intime Botschaften aus Randgebieten ästhetischer Erfahrungen übermittelt, rührt an Berührungsängste. Und wer seine Berichte von Aufenthalten in unbekannten Revieren, zum Beispiel der Kunst (etwa bei den »Auslotungen eines Weißen Mehr«), nicht in angemessener Weise vorträgt, spürt bisweilen, wie das Tabu, mit dem befremdliche Darstellungsweisen belegt sind, auf den Boten übergeht.

Auch nur bedingt amüsant sind manche Reaktionen (wie kürzlich erlebt) auf die Mitteilung, ein Essay widme sich dem Thema der »lebendigen Schrift« aus wechselnder Perspektive und stelle seine »Sujets« in wechselnden Blickwinkeln dar: Als mache sich ein so vorgeblich der Hybris der Zwiefältigkeit Huldigender des Vergehens gegen ein Reinheitsgebot schuldig, weil er die Bastardisierung des Denkens zulässt ..."

Der Autor

Robert Krokowski, freier Schriftsteller, Künstler und Textpraktiker, Psychoanalytiker und Dozent für Ästhetische Bildung, lebt und arbeitet seit 1980 in Berlin. Studium der Philosophie, Religionswissenschaften, Judaistik und Theologie in Bochum und Berlin.Seminare und Seminarleitungen in der Sigmund-Freud-Schule Berlin und in der Psychoanalytischen Assoziation Berlin. Seit 1990 Psychoanalytiker in eigener Praxis. Textpraktische Schrift-Kunstprojekte und Buchpublikationen seit 1978, diverse Ausstellungen, Installationen, Unikate, Multi-ples. Essays zu Psychoanalyse und Kunst.
Seit 2000 Entwicklung des performativen Projekts 'Die Schrift der Engel'. Seit 2003 Lehraufträge und Projekte der Lehr- und Lernforschung für ästhetische Bildung an der Hochschule Neubrandenburg.

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